Donnerstag, 31. Oktober 2013

Näh- und Strickprojekte organisieren - ohne Nähzimmer

Wie behaltet ihr bei euren Projekten den Überblick? Ich habe ja ab und zu das Gefühl, dass ich manchmal länger nach Kurzwaren, herauskopierten Schnittteilen oder anderem Kleinkram suche, als tatsächlich zu nähen. Sowas passiert zum Beispiel, wenn ich die vorgesehenen Knöpfe vorübergehend an einem Platz ablege, an dem ich sie später garantiert wiederfinde. Allerdings vergesse ich innerhalb von fünf Minuten, wo das war. Oder wie oft und wie lange ich schon durchsichtige Folienschnittteile für Belege gesucht habe, die ich unvorsichtigerweise oben quer auf den Büchern in meinem überfüllten Bücherregal abgelegt hatte: Stunden, nein Tage kostbarer Nähzeit verschwendet.    


Wie organisiert ihr eure Projekte, wie und wo bewahrt ihr Schnitt, Anleitung, Zubehör auf, bis ein Nähprojekt fertig ist? Leute ohne Nähzimmer haben ja auch noch das Problem, dass die halbfertigen Sachen überhaupt irgendwo verstaut werden müssen, weil die meisten MitbewohnerInnen eine  stimmungsvolle Dekoration der Wohnräume mit auskopierten Schnittmustern, Stoffstapeln, Sachen in verschiedenen Stadien der Fertigstellung, Schrägbandnestern und Nadelhaufen komischerweise nicht so sehr schätzen.


Lasst uns doch Aufbewahrungs- und Ordnungstipps sammeln. Ich fange mal mit dem an, was bei mir ganz gut funktioniert:

  • Strick-, Häkel- und Handnähprojekte, eben alles, was länger dauert und ab und zu außer Haus, im Zug oder bei der MittwochsMasche gebraucht wird, bewahre ich in Stoffbeuteln auf. Da ist jeweils das angefangene Teil mit Strick- und Häkelnadeln, genügend Wolle, die Anleitung - meistens eine ausgedruckte -, ein Zettel und ein Bleistift zum Abstreichen von Zu- und Abnahmen und für Notizen drin. 
  • Die gefüllten Beutel (die ich auch manchmal suche...) lassen sich z. B. an die Garderobe im Flur hängen. Macht einen aufgeräumten Eindruck, und beim Verlassen des Hauses kann man sich schnell den Beutel mit dem Projekt greifen, das in Schwierigkeitsgrad und Laune zum Tag passt.
 
  • Angefangene Nähprojekte liegen samt Reststoff, Schnittmusterteilen, passendem Garn, Reißverschlüssen, Knöpfen und anderen Kurzwaren in geräumigen Plastiktüten und werden mit allen Einzelteilen auch immer wieder dort hineingeräumt.  
  • Die Projekttüten haben keinen festen Platz - mit dem jüngsten Nähmaschinenzuwachs im Fuhrpark könnte dieser feste Platz aber gefunden sein, denn die neue alte Maschine brachte ein Schränkchen mit.
Die Tüten sind eine verbesserte Weiterentwicklung meiner früher angewandten Haufen-Technik. Am konsequenten In-die-Tüte-Räumen muss ich noch arbeiten - siehe oben - besonders die Schnittmusterteile entwischen mir immer wieder. Ich zwinge mich jetzt auch, wirklich alle Kleinteile sofort zuzuschneiden und Taschenbeutel, Belege und Co. nicht auf später zu verschieben. Die zugeschnittenen Teile werden mit aufgesteckten Schnittmusterteilen weggeräumt, ich markiere die Nahtlinien nur an schwierigen Stellen und erst unmittelbar vor dem Nähen.  

  • Von Projektkisten las ich schon häufiger - erzählt doch mal, was für Kisten sind das, was kommt alles rein und vor allem: wo bewahrt ihr die Kisten auf? Oder habt ihr ganz andere Aufbewahrungslösungen für laufende Projekte?


Verbesserungspotential gibt es bei mir auch bei den Strickanleitungen: bisher drucke ich Anleitungen aus, notiere Änderungen irgendwo am Rand, wo Platz ist, und führe dort auch Strichlisten für regelmäßige Zu- und Abnahmen. Das alles ist nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen, die Zettel gehen ab und zu verloren und landen zuletzt im Müll, deshalb suche ich nach einer besseren Methode.

  • In der Strickrunde führen einige MitstrickerInnen Stricknotizbücher und schreiben alle Details ihrer Projekte dort auf, angefangen von Garn und Nadelstärke, über die Maschenprobe bis zu Veränderungen am Muster. Besonders wenn man häufiger dasselbe Garn verstrickt ist das praktisch, dann kann man sich beim zweiten Mal nämlich die Maschenprobe sparen. Nina führt ihre Mitschriften besonders sorgfältig und klebt die ausgedruckte Strickanleitung, Strickschriften und alles in ein DinA5-Notizbuch mit Spiralbindung (kann man umklappen!) ein - sehr praktisch und durchdacht!
  • Eine bisher nur theoretisch von mir angedachte Möglichkeit wäre ja auch, Strick- und Häkelanleitungen aus dem Netz direkt vom Tablet oder einem Ebookreader abzulesen. Beim Ebookreader gibt es sogar die Möglichkeit, Zeilen zu markieren oder zu unterstreichen und Lesezeichen und Notizen zu speichern. Hat das schon mal jemand ausprobiert, ist das praktikabel oder eine dumme Idee? 
  • Um die Details der Nähprojekte zu dokumentieren reicht im allgemeinen das Blog. Eine Zeitlang führte ich ein Näh-Notizbuch, aber da ich dort nur das aufschrieb, was ich auch in den Blog schreibe, lohnte sich die doppelte Buchführung nicht.      

Sonntag, 27. Oktober 2013

Am Wasserfallkamin verjodelt, Teil 4

Holleri miteinand!

Das vierte Treffen des Jodel-Knitalongs am Wasserfallkamin wollte ich eigentlich mit einem fertigen Norwegerhandschuh mit Hasen (ravelry-Link) begrüßen. Aber das wird nun wohl nichts, ich bin nicht zufrieden.

Aber seht selbst:


Die beiden Garne haben zwar die gleiche Lauflänge auf 50 Gramm, das graue enthält aber Alpaca und ist daher voluminöser. Gemeinsam verstrickt fällt die unterschiedliche Stärke schon ziemlich stark auf: das geht deutlich besser. Der rechte Hase ist viel dünner als der linke, das Muster am Bund und auf der Rückseite kommt nicht besonders gut heraus. 


Wenigstens scheint die Passform ganz in Ordnung zu sein, für den zweiten Anlauf bleibe ich also bei Nadelstärke 3, besorge mir aber zwei Knäuel Garn der gleichen Sorte. Vielleicht klappts ja bis zur nächsten Etappe am Quartzriss. 


Dafür ist der Folklore-Bordürenrock schon fertig geworden - ganz gibts ihn dann beim Finale zu sehen.

Den Zwischen(zu)stand unserer Alpenexpedition sammelt wie immer unsere verlässliche Expeditionsleiterin Frau Sachenmacherin, die den Gipfel gleich dreimal besteigt. 

Stoffspielerei im Oktober: Summ, summ, summ... und der rettende Schmetterling

"Insekten" hatte Suschna als Thema der Stofffspielerei vorgeschlagen. Mir gingen einige vage Ideen von Schmetterlingsflügeln und dicken, glänzenden Laufkäfern durch den Kopf, aber ich hatte nicht genug Zeit, um über die Ideen länger nachzubrüten und ein konkretes Projekt daraus zu machen. Dann hatte ich kurz vor dem Einschlafen einen Einfall, und wie das mit solchen Einfällen ja ist: ob sie großartig oder großer Blödsinn sind, weiß man im Moment des Einschlafens noch nicht.

Mir fiel nämlich meine angefangene Sechseck-Patchworkdecke ein, die ich schon lange nicht mehr angefasst hatte. Von Sechsecken zu Bienenwaben und also zu Bienen war es nur ein winziger assoziativer Sprung. Allein, das Sticken einer Biene ist alles andere als einfach, nur mit einer Zeichnung aus dem Lexikon als Vorbild. Es war also ein Experiment.


Entdeckt ihr die Biene?
Näher ran:


Und hier ein Referenz-Wespenfoto von letzter Woche:

 

Nunja, eine vage Ähnlichkeit ist vorhanden. Die gestickte Biene (oder besser: die pummelige "Biene") ist noch flügellos. Ich hatte mir überlegt, Flügel aus durchsichtigem, dünnen Gewebe anzusetzen und wollte zu diesem Zweck helles Organza-Geschenkband kaufen, Flügel zuschneiden, mit dem Feuerzeug die Kanten verkleben und die Flügel annähen. Aber solches Geschenkband war letzte Woche in mehreren Läden nicht zu finden, obwohl ich sicher bin, sowas schon oft gesehen zu haben. 


Das Tier ist mit einfädigem Sticktwist gestickt, auf einer Unterlage aus weißem Batist mit Bleistift-Vorzeichnung. Den Batist habe ich nach der erste Schicht Stickstiche, mit der ich die Grundformen angelegt hatte, eng an der Stickerei abgeschnitten. Der Körper ist mit kleinen Knötchenstichen bedeckt, um das Borstige des Bienenkörpers nachzuahmen, für die Augen kam ein Faden des gräßlichen, glänzenden Viskose-Stickgarns zum Einsatz. Aber letztlich sieht man von der ganzen Mühe bei normaler Betrachtungsdistanz überhaupt nichts - und die "Echt-und-Falsch"-Serie überlasse ich wohl besser ihrer Urheberin, die heute beeindruckend eklige gestickte Larven und Würmer zeigt.

Das Internte spülte mir vor ein paar Tagen aber auch noch eine Anleitung für einen hübschen Stoffschmetterling vor die Füße: über Mema, die die Anleitung bei Seelenruhig gefunden hatte, kam ich auf diese japanische Seite,  anscheinend so eine Art japanisches Pinterest.


Man versteht ja überhaupt nichts, aber die Faltanleitung konnte ich nach etwas Herumgerätsel nachvollziehen - Tipp: auf dem letzten Bild steht der Schmetterling auf dem Kopf. 

Suschna sammelt heute hier Insekten und anderes aus Stoff - wie gesagt: gestickte Larven - ich bin beeindruckt, was den anderes alles eingefallen ist!

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Kleidung des 18. bis 20. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg


Im Urlaub war ich unter anderem in Nürnberg und sah mir einen Teil des Germanischen Nationalmuseums an. Allein in der Dauerausstellung, die von der Vor- und Frühgeschichte über Bilder und Skulpturen des Mittelalters bis zum 18. Jahrhundert, außerdem Waffen, Musikinstrumente, Volkskunst, Kunsthandwerk, Uhren und Spielzeug umfasst, könnte man mehrere Tage verbringen. Zugleich laufen immer auch noch zwei bis drei Sonderausstellungen. Ich konzentrierte mich daher auf die kleine, aber gut gemachte Ausstellung zur Kleidung des 18. bis 20. Jahrhunderts. Textiles findet man aber auch in vielen anderen Abteilungen des Museums - aber das hob ich mir für den nächsten Besuch auf.      

Die Bekleidungsschau im Germanischen Nationalmuseum legt den Schwerpunkt auf die Zusammenhänge zwischen modischer Kleidung und Tracht, oder besser gesagt: dem, was im Verlauf des 19. Jahrhunderts als Tracht definiert worden war. Die Kleider werden in großen Glasvitrinen in einem abgedunkelten Raum präsentiert, daher ist es schwierig, Details zu erfassen.

Anders als bei der Fashioning-Fashion-Ausstellung im deutschen Historischen Museum letztes Jahr, die vor allem  Hofkleidung präsentierte, unwirklich bunt und fast wie neu, sieht man in Nürnberg Alltagskleider mit Gebrauchsspuren, zum Beispiel ein taupefarbenes Seidenkleid mit feinen Streifen aus den 1870er Jahren, das die Besitzerin sicher einst aufgrund seiner Fleckunempfindlichkeit und anpassungsfähigen Farbe ausgewählt hatte, und auch die bestickten Westen und Galauniformen wirken hier nicht mehr ganz taufrisch.

Die Parallelisierung von Trachten und modischer Kleidung ist ein sehr interessanter Ansatz. Trachten sind nicht, wie man glauben könnte, die Kleidung, wie sie die Bevölkerung eines Landstrichs zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt tatsächlich getragen hat. Im 18. Jahrhundert unterschied sich die Sonntagskleidung auf dem Land kaum von der in der Stadt. Vielmehr wurden viele Trachten erst gegen Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts erschaffen, als Sammler, Forscher und Künstler ausschwärmten, um die Kleidung verschiedener Regionen zu erforschen und in Zeichnungen oder Fotografien festzuhalten. Das Germanische Nationalmuseum gab um 1900 eine Trachtensammlung bei dem Zoologen Oskar Kling in Auftrag, der auch fleißig Kleidungsstücke sammelte, aber bei den Zusammenstellungen zu Komplettoutfits bisweilen genauso fleißig mischte. Da konnten an einer Puppe durchaus Rock, Schürze und Kopfbedeckung aus verschiedenen Regionen und verschiedenen Zeiten zusammenkommen.

Die Tracht transportierte schon im 19. Jahrhundert ein idealisiertes Bild des Landlebens. Wenn also heute über die Landlust und andere Zeitschriften hergezogen wird, die dem gestressten Städter ein Bild des Landlebens vermitteln, das es so gar nicht gibt, dann hat das gar nichts mit unseren modernen Zeiten zu tun - um 1900 funktionierte die Sehnsucht nach dem Einfachen und Urspünglichen schon genauso wie heute. Schon damals wurden die Bilder der Tracht durch Abbildungen in illustrierten Zeitungen weiter verbreitet. Sie vermittelten den Lesern in der Stadt eine Vorstellung von der scheinbar authentischen, typischen Kleidung der Landbevölkerung - und weil der Städter auf Erholungsurlaub Trachten erwartete, zog die Landbevölkerung sie auch an, sofern sie mit Touristen zu tun hatte. Die Ausstellung illustriert das an der Betzinger Tracht aus der Nähe von Stuttgart, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts an wieder und wieder abgebildet worden war, so häufig, dass schließlich einzelne Bewohner Betzingens ihren Lebensunterhalt damit verdienten, in Tracht für Maler und Fotografen zu posieren. Ähnlich machten es die Tiroler, die schon früh vom Tourismus profitieren konnten. Die Tracht der Saltner, der Weinbergshüter aus der Gegend um Meran, wurde dabei immer wilder und exotischer. 
          
In der Gegenüberstellung Mode-Tracht sind mir jedenfalls Gemeinsamkeiten aufgefallen, die mir vorher nicht bewusst waren: zum Beispiel, dass wesentliche Schnittformen der höfischen Herrenkleidung des 18. Jahrhunderts, die bestickte Vorderfront der Weste und des Justaucorps, die Form und die Position der Taschenklappen, des Kragens, der Ärmelaufschläge und der umstickten Knopflöcher, fast identisch bei den Galauniformen wiederkehren, die man sich nach der Reichsgründung 1871 für alle höheren Beamten ausgedacht hatte. Nur die Materialien waren im 18. Jahrhundert besser, und die Westen bunter, aber das Bedürfnis nach Prunk und Repräsentation offenbar noch immer dasselbe.

Hier noch einige Bilder von interessanten Details, die trotz des schlechten Lichts etwas geworden sind:  


Das ist ein Spenzerjäckchen aus dunkelgrüner Seide von etwa 1815. Der oben gepuffte Ärmel galt als "altdeutsch" und zitiert die Mode aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Die mäandernde Verzierung fand ich sehr interessant, wobei ich leider nicht erkennen konnte, wie sie gearbeitet wurde: möglicherweise ist das ein verstürzter Schrägstreifen, also quasi ein Spaghettiträger. Möglicherweise hat dieser Schrägstreifen auch noch eine Schnurfüllung. Er wurde wohl von der Rückseite her aufgenäht, man sieht von vorne keinen einzigen Stich.


Diesen Überzieher aus Seide von ca. 1850/1860 fotografierte ich zur Ermutigung aller SelbermacherInnen, die immer wieder mit ihrem Perfektionismus hadern. Wie die Tafel zu diesem Stück erläutert, gehörten solche Überzieher zu den ersten Kleidungsstücken, die man als Konfektion fix und fertig von der Stange kaufen konnte, weil es nicht so sehr auf die Passform ankam. Dieser Überzieher hier wurde aber, schätze ich, selber gemacht. Schaut euch mal die Verzierungen auf der Vorderseite genau an. Sie bestehen aus moosgrünem Samt, der mit einer grünen Borte umrandet wurde - und ja, sie sind wirklich alle nur ungefähr gleich geformt.


Zuletzt noch eine Trachtenstrickjacke von 1940, die Vorderkanten mit den Knopflöchern wurden umhäkelt, die Blumen sind aufgestickt. Eine modische Abwandlung des Trachtenthemas, und damit wären wir dann auch in der Gegenwart, denn nichts anderes machen wir Selbermach-Bloggerinnen ja gerade beim alpenländischen Knit-along.  

Montag, 21. Oktober 2013

MMM-Betriebsausflug undercover

Work hard, play hard: wer arbeitet, darf auch feiern. Vor zwei Wochen unternahm fast die gesamte MMM-Crew einen Betriebsausflug in den Süden. Meike und Catherine hatten hier und hier von ihren Stoffkäufen geschwärmt. Ich habe hier noch ein paar total investigativ geknipste Handyfotos vom Stoffkauf und dem übrigen Programm für euch! 


8.05 Uhr am Samstagmorgen: Frühstück in der Pension. Stoffkauf braucht eine gute Unterlage.


8.55 Uhr: Gleich geht die Schranke auf! Die Konkurrrenz scheint groß - aber die meisten Menschen sind nicht wegen Stoffen gekommen, sondern wegen irgendwelcher Kaufklamotten. Da stehen wir ja voll drüber. Und rennen gleich nicht über den Parkplatz. Nein. Wir haben schließlich eine gewisse Nähnerdwürde. Die kann man von Kaufklamottenkäufern natürlich nicht erwarten.


11.35 Uhr: Im Stofflager. Der erste Anstrum ist vorüber, aber wie man sieht ist noch eine Menge da. Vor allem Anzugstoffe, Wollstoffe und Futterstoffe.


12. 15 Uhr: Erste Rollen sind leer - die Halle so langsam auch.


12.45 Uhr: Die Beute. Eine dieser Tüten ist meine. Und geht noch in meinen Koffer und in den meines Begleiters.


Am Abend: Besichtigung eines Weinguts und Weinprobe. Davon gibts nur dieses eine Bild aus dem Weinkeller, der Rest ist zensiert. Der Kellermeister, der in der heißen Phase der Weinherstellung oft Tag und Nacht in der Kellerei zubringt, wird von der Seniorchefin an diesem Tisch mit Essen versorgt: Wurstbrötchen, Gurken, und, besonders rührend, ein Stück Marmorkuchen.


Und was machen Nähnerds unter sich sonst so? Nähen natürlich! Und zwar bis Mitternacht.

Freitag, 18. Oktober 2013

Woche 41


Zurück vom Betriebsausflug des MMM-Teams in den Süden und von einem kleinen Familienbesuch anschließend, um das zu erleben, was es in Berlin nicht gibt: weite Landschaften und Stille. Eine Woche komplett offline tat gut, vor allem da ich vor dem Wegfahren jedes Mal in Hektik verfalle, weil so viel noch unbedingt vorher zu erledigen ist. Der Liebste hält es ebenso und bleibt am letzten Tag auch immer extra lange im Büro, so dass wir beide erst spät zuhause eintreffen, die Koffer noch ungepackt, nichts mehr zu essen da, beide abgehetzt. Ein Freund von uns meinte einmal angesichts unseres Wegfahrverhaltens, er könne sowas ja nicht, er brauche immer erst einen Tag vor dem Wegfahren für sich, um sich in Ruhe darauf einzustellen. Ja, diesen Tag nur für mich hätte ich auch gerne, nur klappt das leider nie!

Die gehäkelten Sechsecke sind ein neues Projekt mit Suchtpotential - nachdem ich natürlich Meikes Häkeldeckenfortschritte verfolgte und ihre Hexagons beim Betriebsausflug auch mal anfassen konnte, gab ich nach und begann mit Sockenwollresten und einer Häkelnadel Nr. 2,5. Bisher bin ich begeistert. Im Grunde trage ich einen unterdrückten Hexagondeckenwunsch schon seit 2007 mit mir herum, als Moonstitches ihre wunderbare Decke häkelte. Nur wusste ich lange nicht, welches Garn ich verwenden sollte: Acrylgarn gibt es zwar günstig in vielen Farben und ich finde es für Dekosachen die man nicht anzieht auch ganz annehmbar, aber eine Menge Plastikgarn neu kaufen wollte ich auch nicht. Baumwolle war mir zu schwer, Wolle extra zu kaufen zu teuer - wie gut, dass ich jetzt darauf kam, meine bunten Sockenwollreste, aus denen sowieso keine Socken mehr werden, zu verhäkeln. Siebenhundertsachen schickte mir außerdem netterweise ein paar weitere Reste in anderen Farben zu  -  Danke nochmal! Das Sechseckmuster sind die "Love at first sight"-Hexagons von Le monde de Sucrette und ich strebe vorerst nur einen Kissenbezug an.

Und weil ich in der vergangenen Woche recht viel Zeit auf Bahnhöfen verbracht habe, kam ich nicht umhin, den irrsinnigen Werbeaufwand zu bemerken, den Pro7 in die Sendung Fashion Hero investiert. Neben Plakaten an jeder zweiten Ecke gibt es auch ein gedrucktes Magazin, das ich wegen der auf dem Titel angekündigten "4 Schnittmuster" mitnahm.

Ich finde ja prinzipiell erstmal alles gut, was Leute zum Nähen bringt, und die Zeitschrift ist auch nicht schlecht gemacht - ein bißchen Modetrends, die Kandidatinnen und Kandidaten werden vorgestellt, ein langer Artikel erklärt die Möglichkeiten, Modedesign zu studieren. Aber ohje, die Schnittmuster! Zwar gibt es einen richtigen Schnittbogen aus Seidenpapier für vier Modelle in den Größen S, M und L, aber weder eine Maßtabelle, noch technische Zeichnungen noch Angaben zur Stoffmenge und -art. Die Nähanleitungen lassen sich über QR-Codes abrufen, aber was man dann bekommt ist zum Beispiel sowas: Nähanleitung Twiggy-Kleid. Eine Aufzählung der Nähschritte, mit deren Hilfe eine versierte Selbermacherin dieses Kleid wahrscheinlich zusammennähen könnte - eine Nähanfängerin aber ganz sicher nicht. Also liebe Nähanfängerinnen - spart euch das Geld für das Heft, wenn es euch um Schnittmuster geht, und kauft euch lieber die Cut oder die Burda Easy, die haben ausführliche Anleitungen mit Bildern.

Linktipps gibt es diese Woche nicht, aber eine Empfehlung für die BerlinerInnen: In der Auguststraße 82 in Mitte hat mit Water to Wine ein neuer Laden für Upcycling-Mode eröffnet. Das Besondere: dahinter steckt ein Projekt der Berliner Stadtmission in Kooperation mit der Designerin Sarah Schwesig. Verarbeitet werden Kleiderspenden an die Stadtmission, die nicht an Obdachlose verteilt werden können, weil die Sachen kaputt sind oder nicht geeignet, wie zum Beispiel Abendkleider. In neuer, umgearbeiteter Gestalt warten sie bei Water to Wine auf Käufer, außerdem gibt es Schmuck und Accessoires anderer Labels, die sich ebenfalls dem Recycling und Upcycling verschrieben haben. Ich finde das hört sich sehr sinnvoll an, hoffentlich komme ich am Wochenende dazu, mir den Laden anzusehen.         

Freitag, 11. Oktober 2013

Die Fadeninsel in Kreuzberg


Die Fadeninsel in der Oranienstraße, also da, wo Kreuzberg am kreuzbergerischsten ist, hat Strick- und Häkeltrends kommen und gehen gesehen: Seit gut 30 Jahren gibt es diesen Laden, und würde die Metapher bei einen so flauschigen Thema wie Wolle nicht derartig danebenliegen, würde ich glatt von einem Urgestein unter den Wollgeschäften sprechen. Das muss man sich einmal vorstellen: Nach dem Strickboom der 80er Jahre sah es in den 90ern und mehr noch in den Jahren nach der Jahrtausendwende ja nicht mehr so gut aus für das Hobby. Die Strickzeitschriften wurden dünner, die Wollläden wurden weniger und weniger, aber die Fadeninsel gab es immer noch. Und auch, wenn man in der Fadeninsel bis heute auch Strümpfe und Strumpfhosen und außerdem fertig gestrickte Mützen, Handschuhe, Schals kaufen kann - Wolle ist und bleibt das Hauptgeschäft.

Der Laden bietet die ganze herrliche Palette an reinen Merino- und Alpacagarnen von Lang und ggh, eine große Auswahl an Sockenwollen und Mohair, handgefärbte Stränge zum Beispiel von Araucania und sicherlich noch eine ganze Menge mehr, was man in dem teilweise bis unter die Decke mit Wolle gefüllten Geschäft aber erst nach einiger Zeit entdeckt. Dafür ist die Beratung gut - eine kurze Skizze des geplanten Projekts und der benötigten Lauflänge, eine der Verkäuferinnen zeigt mir, in welchen Regalen entsprechende Garne liegen, und dann kann ich ganz in Ruhe schauen und Materialien und Farben vergleichen. In der Zwischenzeit geht es in dem Laden zu, wie in einem Taubenschlag: Stammkundinnen ebenso wie solche, die den Laden zufällig entdeckt haben, und nur mal schauen wollen, die Frage nach einem gestrickten Tuch aus dem Schaufenster, nach Bestellmöglichkeiten - und dazwischen lauter Kundinnen wie ich, die Wollknäule drücken und vergleichen und nebeneinanderhalten.  Die Wolle ist nicht billig, aber dafür können nicht genutzte Knäuel problemlos zurückgegeben werden.

Ich entschied mich schließlich für ein Knäuel rostrotes Luxus-Babyalpaca (um die Leaving Cuffs als Geschenk noch einmal zu stricken) und bekam noch den für nicht-Berliner Ohren vielleicht etwas ruppig klingenden, aber nett gemeinten Ratschlag "Locker anschlagen und abketten - aber das weeßte schon, wa?" mit auf den Weg. So ist Kreuzberg!

Fadeninsel 
Oranienstraße 23
10999 Berlin

MO-FR 10-18.00 Uhr, SA 10-16.00 Uhr

www.fadeninsel.de   

Haltestellen in der Nähe: Kottbusser Tor (U1, U8) oder Görlitzer Bahnhof (U1)

Neben der Fadeninsel ist der Comicladen Modern Graphics, ein guter Aufenthaltsort für die nicht-strickende oder häkelnde Begleitung!

Montag, 7. Oktober 2013

Woche 40


Erst das Vergnügen, und dann.... Der 3. Oktober führte uns bei herrlichem Herbstwetter auf einen langen Spaziergang durch Kreuzberg, in den Prinzessinnengarten. Die Brachfläche wurde in den letzten Jahren in einen gemeinschaftlich bewirtschafteten Gemüsegarten mit Hochbeeten und einem Gartencafé verwandelt, es gibt aber immer noch wunderbar verwunschene, zugewachsene Ecken mit Schaukeln zwischen den Bäumen. Am Donnerstag begann im Garten eine Freiluftausstellung zum Thema Freigebigkeit (noch bis zum 10. 10.).

Ich tat mich schwer, die 25 Kunstwerke zu entdecken: Wenn in einem Beet, einem Blumentopf oder im Boden ein kleines weißes Schild mit dem Namen des Künstlers und des Kunstwerks steckte, dann war ein Ausstellungsobjekt nicht weit - aber wohin sollte man schauen? Geradeaus, nach oben, auf den Boden? Ich suchte also nach Dingen, die vermutlich nicht in einen Garten gehören, und entdeckte so einiges: ein gespanntes Seil zwischen den Bäumen - kein Kunstwerk. Eine interessante Spalierkonstruktion aus Regenrohren - kein Kunstwerk, da mit Erdbeeren bepflanzt. Ein laufender Fernseher, der ein verschwommenes Video zeigte, zwischen Tomatenpflanzen: Kunst! Der Zweck der üblichen Präsentationsweise von Kunst in Museen und Galerien mit weißen Wänden ist mir selten so deutlich geworden: man weiß wenigstens sofort, womit man es zu tun hat. Lustige Dialoge hörte ich mit an: "Ist das auch Kunst?" - "Nein, das ist ein Sessel, setz' dich doch da mal drauf."

Wir landeten zuletzt bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen bei Fräulein Wild in der Dresdener Straße, einem pfefferminzgrünen Mädchencafé unmittelbar hinter dem Neuen Kreuzberger Zentrum.


Das weit weniger stilvolle Kaffeetrinken am Samstag war sehr hart erarbeitet. Es ist nämlich so: Es zieht durch die alten Doppelfenster in unserem Wohnzimmer. Stoff für Vorhänge hatten wir schon für über einem Jahr gekauft, ich fand ihn letzte Woche zufällig wieder. Der Plan stand felsenfest: einen weiteren Winter ohne Vorhänge sollte es nicht geben! Am Freitag verbrachte der Liebste einen nicht unerheblichen Teil seines freien Tags im Baumarkt, verglich Vorhangstangen und kalkulierte die Preise von Vorhangstangen im Baukastensystem im Vergleich zu Vorhangstangensets. Wenn ihr denkt, dass Kompatibilitätsfragen bei Staubsaugerbeuteln oder Handyladekabeln ein Problem sind, dann habt ihr noch keine Vorhangstangen gekauft. Wobei, leidlich passende, nur etwas zu lange Stangen gab es, aber das Vorhangringsystem, bei dem der Vorhang mit kleinen, stabilen Metallklämmerchen gehalten wird, gibt es anscheinend nur bei Ikea. 

Und es gibt nichts Schlimmeres als Ikea am Brückenwochenendsamstag, außer vielleicht Ikea an einem Adventssamstag. Nach einer nicht ganz so kurzen Anreise in eine bis auf die Menschen mit Ikea-Taschen entvölkert wirkende Gegend Lichtenbergs, standen wir in der Gardinenabteilung. Es gab zwar hunderte 20 mm-Gardinenstangen in allen Farben und Längen, aber keinen einzigen dazu passenden Gardinenring. Keine einzigen. Ich zog für einige Sekunden einen Trotzanfall mit Hinwerfen und Brüllen in Erwägung, aber das hat ja noch nie geholfen. Die durchschnittliche Ikea-Kundin tröstet sich in einer solchen Situation mit bedruckten Muffinförmchen, Kerzen oder Kissenbezügen. Aber nicht mit mir. Wahrscheinlich bin ich eine lebende Anomalie, weil das Ikea-Prinzip - mehr kaufen, als man eigentlich jemals haben wollte - bei mir nicht verfängt, ich kaufe da immer weniger, als ich eigentlich vorhatte. Wir eilten also zum Ausgang, ließen uns weder von der Stoffabteilung (ich), noch von Paletten mit Massivholzschneidbrettern, Edelstahltöpfen und Fleischklopfern aufhalten (er), überwanden zuletzt einen Kubikmeter grüner Papierservietten und fanden nach 200 Metern querfeldein über eine holprige Wiese einen Baumarkt.

Dort erstanden wir Gardinenringe mit Plastikhäkchen und eine Packung Metallgardinenklammern mit Metallhaken für Drahtseile, die zuhause mittels einer Flachzange anstelle der Plastikhäkchen an die Ringe gefummelt wurden. Nach ein paar Stunden mit Absägen der Gardinenstangen, Messen, Bohren, Schrauben, Fummeln, Nähen, haben wir jetzt Vorhänge! Aus petrolblauem Wollstoff! Ich versteh' zwar nicht, warum der Kapitalismus die Versorgung mit Gardinenstangen und -ringen nicht geregelt kriegt, aber Kaffee kann er. Sogar in der Cafeteria des Baumarkts am Rande des Universums steht eine Espressomaschine.


Und nun noch die Handarbeitslinks der Woche:

 

Zum Stricken: Am Mittwoch erscheint ein Strick-Sonderheft von Burda, mit anfängertauglichen Strickanleitungen, wie es auf den kleinen Ausschnitten hier aussieht. Ich werde mal reinblättern, die Stricksachen, die früher ab und zu im Burda-Schnittmusterheft dabei waren, haben mir meistens ganz gut gefallen.

Zum Nähen: Die übercoole kleine Schnittmusterfirma by hand London brachte einen kostenlosen Downloadschnitt heraus: das Schnittmuster für das Polly-Top kann hier angefordert werden. Ihr bekommt dann eine Mail mit einem Downloadlink. 

Zum sich-bestätigt-Fühlen: Über das Wechselbad von Erwartung - Enttäuschung - neu aufgebauter Erwartung, neuer Enttäuschung und mühsam erarbeiteter Ergebniszufriedenheit beim Nähen eines Kleidungsstücks hatte Katharina vor einigen Wochen sinniert. Mir scheint, das Phänomen ist universell: Kathryn von yes i like that fasste die Phasen des Nähprozesses nun in einer hochwissenschaftlichen Graphik zusammen. Wir sehen: es ist vollkommen normal, das Planen zu mögen, die Vorbereitungsarbeiten zu verabscheuen und fertiggestellte Kleidungsstücke bis zum ersten Kompliment allenfalls mittelmäßig zu finden.

Zum Anschauen: Ein Musikvideo, in dem Nähzubehör die Hauptrolle spielt.

Zum Anschauen II: Am Mittwoch um 20.15 Uhr beginnt bei ProSieben die neue Castingshow Fashion Hero. Ähnlich wie bei Project Runway aus den USA müssen junge Modedesignerinnen und -designer Wochenaufgaben lösen, ihre Entwürfe werden von einer Jury beurteilt, jedes Mal fliegen welche raus, und am Ende bleibt eine(r) übrig. Da zu Anfang 21 KandidatInnen gegeneinander antreten - wie soll der Zuschauer bitte so viele Leute auseinander halten? - nehme ich nicht an, dass der Design- und Herstellungsprozess allzu viel Raum eingeräumt werden wird, aber vielleicht ist es ja trotzdem ganz lustig.   

Sonntag, 6. Oktober 2013

Unterm Strickcape wird wieder gejodelt, Teil 3: Beim Jodeln ist jeder der Erste

Unsere Seilschaft der jodelstrickenden Eiger-Nordwand Erstbesteigung nähert sich der dritten Station, dem Todesbiwak (zur Erinnerung hier die Route). Ab jetzt wirds gefährlich: wir betreten die Todeszone am Gipfel. Man hörte schon Gerüchte, dass unsere Expeditionsleiterin Frau Sachenmacherin kurz vor der Aufgabe stehe! Ich werde alles tun, was ich kann, um zu einem sicheren Auf- und Abstieg der Crew beizutragen. Da am Berg aber vermutlich die gleiche Regel gilt wie auf Booten - eine Hand für die Frau, eine Hand für das Schiff - nun erst einmal zum Fortgang meines Strickprojekts.   


Das Miss-Marple-Cape ist nämlich fertig. Am Abend der Bundestagswahl nähte ich die Knöpfe an. In meinem Fundus fand ich perfekt passende, sehr große, dunkelrote. Es trägt sicher nicht zur Motivation der noch kletternden Gruppe bei, wenn ich das Cape jetzt schon zeige, daher verrate ich nur, dass ich begeistert bin und es bereits über meiner schwarzen Walkjacke getragen habe. Das Cape funktioniert wunderbar als Schal-Ersatz. Todesbiwak - darüber kann ich nur lachen. Ich ziehe einfach die Füße und den Kopf ein und mummele mich wie eine Schildkröte in mein Strickcape.

Da ich mit Nadelstärke 8 so vorgeprescht bin und den Gipfel bereits erreicht habe, während andere noch in den Seilen hängen, plagt mich allerdings das schlechte Gewissen. Es fühlt sich nicht an wie ein Triumph, sondern wie Schummeln. Als hätte ich mir heimlich einen Treppenlift auf den Gipfel bauen lassen. Deshalb fange ich ein zweites Projekt an, und stricke etwas, was ich bisher noch nie probiert habe: Zweifarbige norwegische Fausthandschuhe. Bei Ravelry fand ich eine Anleitung für Handschuhe mit Hasen (ravelry-Link), die werde ich in den nächsten Wochen ausprobieren. Grau mit Pink.    


Und wenn dann immer noch Zeit ist, nähe ich vielleicht noch einen folkloristisch angehauchten Rock mit vielen Borten - das Material liegt seit dem vorigen Winter bereit. Eventuell bietet ja der bevorstehende Betriebsausflug des MMM-Teams in den Süden Gelegenheit dazu.

Aber zuerst mal schauen, wie unsere Klettergruppe, und vor allem Frau Sachenmacherin vorangekommen sind. Vielleicht kann ich mich beim Einziehen von Sicherungsleinen nützlich machen - den Stand der Dinge findet man hier.   

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Loben und lästern: Burdastyle 10/2013

Was bietet die Oktoberausgabe der Burdastyle? Mir fiel es nicht so schwer wie beim September-Heft, ein paar nähwürdige Schnitte auszumachen. Zuerst müssen wir aber noch einmal auf die Sache mit den Zipfeln zu sprechen kommen. 

In der September-Ausgabe hatte ich mich über etwas unmotiviert wirkende Zipfel an einem Seidenrock lustig gemacht. In den Kommentaren wurde die These aufgeworfen, es handele sich um Prada-Zipfel. Hala stellte dazu eine Bildserie auf ihrem Blog zusammen, punta e a capo steuerte diesen Link bei, und Yvonet plant sogar ein Kostüm mit Prada-Zipfel


Die Frage ist nun: ist der Burda-Zipfel tatsächlich ein Prada-Zipfel? In Heft 10/2013 ist nämlich wieder ein Rock mit Zipfel dabei, Modell 121. Im Unterschied zum September-Modell immerhin ein echtes Godet, der wie ich finde entscheidende Unterschied zu Prada besteht aber darin, dass der Saum bei Prada eine Stufe bildet, während es sich bei Burda um einen, nunja, zipfeligen Zipfel handelt. Mit Stufe-im-Saum-Zipfeln macht frau derzeit offenbar nichts falsch, jedenfalls wurden "uneven geometric hems" bei der New York Fashion Week als Trend für das Frühjahr 2014 ausgerufen. Ob das auch für Zipfel-Zipfel gilt? Ich glaube nicht - während die stufigen Säume klar, scharf, geometrisch, geordnet wirken, hat der Saumzipfel in meinen Augen doch etwas von einem nicht ordentlich begradigten Saum.  


Aber lassen wir die Zipfel und kommen wir zu Bananen, zum Bananenrock 133. Hier als Hippierock umgesetzt, aber das muss ja nicht - aus einem leichten, einfarbigen Wollkrepp genäht, wäre der Schnitt ein eleganter, herrlich schwingender Winterrock für eine russische Prinzessin. Und dazu noch praktisch! Nichts ist bei Eis und Schnee wärmer als ein langer Wollrock. Außerdem bin ich froh, dass ich endlich Recht habe: schon seit gut zwei Jahren prognostiziere ich erfolglos die allgemeine Wiederkehr langer bis sehr langer Röcke. Aber der Maxirock blieb auf einige wagemutige Rockträgerinnen mit noch wagemutigere Brillen in Berlin Mitte beschränkt, bis er sich endlich im vergangenen Sommer auch auf die anderen Stadtteile ausbreitete. Dass es nun auch im Winter Maxiröcke gibt ist also nur folgerichtig, und da meine Ahnung nun so schön bestätigt wurde, prophezeie ich gleich noch was Neues: in einem Jahr tragen wir dann alle Midiröcke in eleganter Wadenlänge.


Schön fand ich auch die Jacke 129, die hinten ein kleines, gefaltetes Schößchen hat. Solche Zirkusdirektorenjäckchen, die zugleich ein bißchen an historische Uniformen erinnern, gibt es recht oft bei Burda, sie schaffen es nur leider nie in die vorderen Ränge meiner Nähliste, sondern dümpeln immer am unteren Ende herum, obwohl ich sogar schon alte, mattoxidierte Goldtresse besitze. Verlängert als Mantel 130 aus so einer Art Möbelbezugsstoff auch nicht schlecht, auch wenn ich den nicht tragen darf, da "ideal für Frauen mit kleinem Busen und breiten Hüften", und ich bin umgekehrt. Außerdem gibt es einen Wintermantel mit Kapuze (Nr. 125), ein aufwendiges Cape mit Reißverschluss (Nr. 104), das sogar auf dem Fahrrad funktionieren würde, und ein Jerseyoberteil bzw. Kleid mit interessantem Ausschnitt und Schößchen (124a/b) - alles Schnitte, die ich zwar nicht unmittelbar nachnähen will, aber wer weiß, in den nächsten zwei bis drei Jahren könnte sich ein Bedarf ergeben.


Neben dieser ansehnlichen Ausbeute guter Schnitte macht der Poncho 116 durch Signalfarbe und -musterung auf sich aufmerksam: "Schaut mich an! Ich bin eine mobile Warnbake!" scheint er zu schreien. Dass dieser Stoffkegel nicht als Kleidungsstück konzipiert worden ist, darauf deutet auch hin, dass der Poncho in etwa den Po bedeckt und mithin die Hände selbst dann kaum herausschauen würden, wenn es die grotesken Lederfransen nicht gäbe.

Selbst die Textredaktion scheint sich schwergetan zu haben: "Mother Nature. Poncho 116. Egal ob Sie im Baumhaus leben oder ihr Dasein in der Stadt fortsetzen wollen: in dem aus zwei Strickstoffen zusammengesetzten Poncho mit selbst gemachten Lederfransen sind Sie auf jeden Fall eine Naturschönheit." Ich gebe zu, die Argumentation erschließt sich mir nicht ganz, auch wenn ich natürlich herzlich gerne eine Naturschönheit wäre! Aber keine Naturschönheit ohne Arme, möchte ich zur Sicherheit hinzufügen.


Ja, und was sagt ihr zu Tarnfleckenstoff? Die Fotostrecke "New Military" spielt mit Stilelementen der Uniform: Koppelgürtel, Uniformmützen, Lederhandschuhe, grobe Stiefel, oliv und Flecktarn.

Ich kenne die Argumentation, dass diese Stilzitate außerhalb des militärischen Kontextes ja gar nichts Martialisches mehr bedeuten würden, und ich lasse sie mir für Parka-Abwandlungen oder Trenchcoats, die ja nichts anderes als Militärmäntel sind, gefallen - beide Schnittformen gehören schon so lange zum Mode-Inventar, dass der Ursprungskontext schon weitgehend von neuen Bedeutungen überdeckt wurde. Bei Tarnfleckenstoff hört für mich der Spaß auf: mit Krieg spielt man nicht. Dieses Muster ist für mich unauflöslich mit Tod und Verderben verknüpft, und diese Verbindung lässt sich nicht auflösen, egal wie häufig Models im Flecktarn irgendwo über die Laufstege getrieben werden. Und wenn mich nicht alles täuscht - die Burdastadt München mag da anders ticken als Berlin - sind die Versuche des modisch-industriellen Komplexes bisher gescheitert, das Muster zu veredeln und in ein nur noch modisches Statement zu überführen. Ich sehe Flecktarn selten in den Geschäften, und selten auf der Straße, und wenn wird es nicht von modischen Mädchen, sondern meistens von Männern unbestimmten Alters und mit ungünstiger Sozialprognose getragen, denen man durchaus einen Amoklauf zutrauen würde.

In der Militärmode-Strecke verbirgt sich immerhin noch ein sehr brauchbarer Schnitt für eine Nylonjacke mit Steppfutter (Nr. 105). Und das Silberhemd (Nr. 113)? Auch das ist ein Trend: New York spricht zwar von Gold, aber egal: Hauptsache Edelmetall. Da ich mich beim ramschigen An-und-Verkauf gegenüber vom Büro schon zu einer Jacke aus schwarz-gold gewebtem Stoff hingezogen fühlte (was für mich völlig absurd ist), könnte da sogar was dran sein.

Der aufmerksamen Leserin entgeht außerdem nicht, dass dieses Heft keinen Designerschnitt und auch kein Vintage-Schnittmuster enthielt. Ich hoffe sehr, dass dies nicht der Anfang eines Trends ist!